Oder: Warum der ‘dritte Gang’ so wichtig ist
Das ist ja so ein Sache mit dem Galopp. Eigentlich sehr schön zu sitzen, beim Ausreiten das ‘Ah’ und ‘Oh’ für viele Reiter, in den Arbeitsreitweisen die wichtigste Gangart und bei Kindern sehr beliebt. Aber auch die Fluchtgangart, oft kaputtgeritten und viertaktig gequält, unkontrolliert, holprig, anstrengend, und überhaupt vertrackt.
Warum korrekter Galopp tatsächlich schwierig ist für ein Pferd, vor allem mit einem Reiter obendrauf, erschliesst sich sofort, wenn man sich die Fußfolge dieser Gangart genauer anschaut:
Im Linksgalopp ist das der rechte Hinterfuß, dann der linke Hinterfuß und der rechte Vorderfuß zusammen, dann der linke Vorderfuß. Dann kommt die Schwebephase, bevor das rechte (also das äußere) Hinterbein den nächsten Galoppsprung einleitet.
Zweimal trägt das Pferd also sein gesamtes Gewicht auf je nur einem Bein, und das bei hohem Tempo, was die Einwirkung der Scher- und Fliehkräfte vervielfacht. Das ist in keiner anderen Gangart so – da tragen immer mindestens zwei Füße das Gewicht. Auf nur einem Bein noch die Balance zu halten, für sich selbst und einen Reiter, OHNE schief zu werden, ohne den Takt zu verlieren und ohne zu stolpern, das ist schon eine Leistung.
Dazu möchten wir auch noch das Tempo genau regulieren und das Pferd in einer gesunden Form unter uns wissen, also mit Kontakt zum Reiter und einem aktiv nach oben arbeitenden Rücken, der uns gut tragen kann. Dazu muss auch der Kopf des Pferdes frei balancieren können, was halbkreisförmige Bewegungen nach oben, vorne und unten bedeutet – die müssen von der Reiterhand zugelassen und unterstützt werden. Untertreten (-springen) soll das Pferd und schön rund “bergauf” galoppieren.
Eine ganze Menge Dinge auf einmal, die da so verlangt werden. Und oft gar nicht einfach zu bewerkstelligen. Und bevor man es denn schlecht macht oder das Pferd einfach wegrennt, lässt man es oft sein mit dem Galopp. Oder galoppiert nur ganz selten oder vielleicht mal kurz im Gelände, wenn der Boden es denn zulässt…
Und es ist anspruchsvoll, wenn man das wirklich gut machen will. Das darf man sich ruhig eingestehen. Aber kommen wir ohne Galopp aus? Wenn uns die Gesunderhaltung unserer Pferde wirklich am Herzen liegt, dann Nein…
Aber warum?
Bei keiner anderen Gangart greift das Pferd so weit und mit soviel Kraft nach vorne unter den Schwerpunkt (wenn der Galopp denn richtig gesprungen ist). Und genau darum wird auch nur in dieser Gangart der hintere Teil der Wirbelsäule so aktiv mobilisiert: der Übergang von der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule (Lumbo-Thorakaler Übergang), der von der Lendenwirbelsäule zum Sakrum (Lumbo-Sakraler Übergang) und auch das vielbeschworene Ileo-Sakral-Gelenk (das ja gar kein Gelenk ist, aber als Auflage des Beckens auf den Flügeln des Sakrum doch immer wieder Probleme bereitet) – alle müssen sich öffnen, um den Galoppsprung überhaupt möglich zu machen.
Dazu kommt, dass das Becken ein geschlossener Ring ist (es also auch niemals einen einseitigen Beckenschiefstand geben kann, zum Beispiel) und wir darum ein gleichzeitiges, beidseitiges ‘Kippen’ den Beckens brauchen, damit das ISG sich optimal bewegt – und das gibt es nur im Galopp.
Eine gesunde Dosis Galopp – ob nun mit oder ohne Reiter – trägt auch maßgeblich zu einer entspannten Lendenmuskulatur bei – die wiederum direkt die relative Spannung der Genickmuskulatur spiegelt (findet man Verspannungen im Genick kann man davon ausgehen, dass auch die Lendenmuskulatur verspannt ist, und umgekehrt).
Wichtig ist, dass das Pferd tatsächlich rund und in Bewegungsrichtung gestellt galoppiert, da sonst die Rückenmuskulatur nicht entspannt arbeiten kann. Ein gleichmäßiger Dreitakt, eine klare Schwingung durch den ganzen Rücken bei jedem Sprung, eine aktive und deutlich vorgreifende Hinterhand sind hier zu beachten. Langsam aufgebaut ist gutes Galoppieren wunderbare Gymnastik und Entspannungsarbeit zugleich – und darum sehr empfehlenswert.